Ein ewiges Dilemma, und nicht erst seit dieser Reise. Fjorde oder Fjell, wer die Wahl hat, hat die Qual. Immer wieder stehen wir vor der Entscheidung, in welche Richtung uns die Reise für die nächsten Tage führen soll. Entscheiden wir uns für die Fjorde, fehlen uns bald die Berge. Und umgekehrt. Natürlich, ein Luxusproblem. Im Endeffekt gelangen wir aber immer wieder zur selben Entscheidung. Bevor wir diese Frage jedoch beantworten, gilt es zuerst, von Nordnorwegen etwas in südlichere Gefilde des Landes zu gelangen. Dies geht am einfachsten via Finnland und Schweden. Damit dies nicht zur reinen Durchfahrt wird, bauen wir einige ausgewählte Stopps ein.
Pallas-Yllästunturi, der drittgrösste Nationalpark in Finnland
Dieser Nationalpark, nahe von Muonio gelegen, ist durch eine etwa hundert Kilometer lange Fjell-Kette sowie durch Taigawälder geprägt. In Finnland werden die für die Region Lappland typischen Berge als ‘tunturi’ bezeichnet. Es handelt sich um runde Inselberge, die sich aus der ansonsten flachen Umgebung erheben. Die ‘tunturi’ in Finnisch-Lappland erreichen Höhen zwischen 400 und 800 Metern, wobei die oberen Bereiche über der Baumgrenze liegen. Der höchste Punkt im Pallas-Ylässtunturi-Nationalpark ist der Pallastunturi mit 809 Metern. Und genau dahin führt uns unsere Rundwanderung. Die Natur ist vielseitig und abwechslungsreich, man findet zahlreiche unterschiedliche Arten der Natur: Sümpfe und Moore, Heidefelder, naturbelassene alte Wälder, offene Fjells, Hainwälder, und natürlich etliche Rentiere. Und zuoberst auf dem ‘tunturi’ angekommen, eine wunderbare Rundsicht über die Weiten Finnlands.
Besuch im Malin Resort in Arvidsjaur
Da wir schon in dieser Region sind, ist für uns klar, dass ein Besuch bei Aline und Markus im Malin Resort www.malinresort.com nicht fehlen darf. Wir durften hier im Februar 2020 bereits eine tolle Winterwoche verbringen (https://www.siglu.ch/schweden) und freuen uns nun, diese Gegend auch im Sommer kennenlernen zu dürfen. In Arvidsjaur, das rund 40 Minuten vom Malin Resort entfernt ist, liegt das Wandergebiet Vittjåkk und Akkanålke. Dieses steuern wir direkt an. Auf dem 15 km langen Weg wandern wir an kleineren und grösseren Weihern vorbei, hinunter in einen dichten Urwald, passieren den grossen See Stenträsket und ein grosses Moor, bevor wir am Fusse des Berges Akkanålke und bald schon auf ihm stehen. Das Tüpfelchen auf dem i: Wir scheinen den richtigen Zeitpunkt für die reifen Moltebeeren erwischt zu haben. Wir können so viele einsammeln, dass es sogar reicht, um tags darauf Marmelade zu machen.
Am Abend und am nächsten Morgen kommen wir in den Genuss der Gastfreundschaft von Aline und Markus und verbringen gemütliche Momente mit guten und inspirierenden Gesprächen zusammen in ihrem kleinen Paradies. An dieser Stelle nochmals ein ganz grosses Dankeschön!
Nun folgt eine lange Fahrt durch Schweden. Und während diesen Fahrtagen dürfen wir ein Naturschauspiel erleben, mit welchem wir zum jetzigen Zeitpunkt wirklich nicht gerechnet haben: Nordlichter. So früh wie nie zuvor, am 8. August, kommen wir in den Genuss dieses einzigartigen Himmelspektakels. Immer wieder magisch und atemberaubend!
Härjedalen, unsere neue (alte) Lieblingsprovinz in Schweden
In Funäsdalen, gelegen in der Provinz Härjedalen, durften wir im Jahr 2015 schon einmal kurz Luft schnuppern. Damals war dies der Endpunkt unserer Trekkingtour (www.siglu.ch/kungsleden). Wir haben es in bester Erinnerung, also brennen wir darauf, es noch etwas näher kennen lernen zu dürfen. Fast überall im Tal Härjedalen ist die charakteristische Silhouette des Berges Sonfjället zu sehen, dessen Gipfel mit 1278 müM der höchste im Tal ist und der gut erschlossen erwandert werden kann. Hier ist die Heimat der Bären. Der Park ist heute das am dichtesten mit Bären besiedelte Gebiet im Land, mit einer festen Population, die über weite Teile des Parks wandert. Außerdem leben hier viele Elche und Luchse. Einen Bären erspähen wir leider nicht, dafür schliessen wir die Region noch mehr in unsere Herzen.
Faszinierendes Røros
Schon kurz nach Funäsdalen überqueren wir wieder die Grenze zu Norwegen und passieren das Städtchen Røros. Røros mit seinen rund 5'500 Einwohnern ist eine der ältesten Städte mit Holzgebäuden in Europa und Norwegens einzige Bergstadt, gelegen auf 630 Metern Höhe. Bis in die 1970er-Jahre wurde hier Kupfererz abgebaut, was das Erscheinungsbild der Stadt sehr geprägt hat. Die noch großteils erhaltene alte Bausubstanz hat Røros eine Eintragung auf der Welterbeliste der UNESCO eingebracht. Die urigen, farbigen Holzhäuser in den bezaubernden Strassen sind wahre Relikte aus vergangenen Zeiten und scheinen viele Geschichten zu erzählen. Die Kleinstadt ist wie ein lebendiges Museum, das Jahrhunderte der Geschichte verkörpert. Die EinwohnerInnen von Røros haben es wahrhaftig geschafft, den ursprünglichen Charme der Stadt zu bewahren. Wir können uns kaum satt sehen an diesem hübschen Städtchen, entdecken immer wieder neue Details und Gässchen. Bekannt ist Røros auch für seine Wintertradition, den Weihnachtsmarkt. Wir sind uns sicher, dass dies die perfekte Kulisse für ein nostalgisches Weihnachtsgefühl ist. Und schon ist wieder ein neuer Reisewunsch entstanden…
Nationalparks in Zentralnorwegen - Rondane und Dovrefjell
Nach Røros stellt sich für uns ein erstes Mal die berühmte Frage: Fjorde oder Fjell? Wir bekommen nämlich Besuch: Unser Freund Reto wird eine Woche mit uns verbringen. Wir freuen uns sehr darauf, und möchten ihm natürlich einen Teil von Norwegen zeigen, den er nicht so schnell vergessen wird. Wir lassen diesmal nicht unsere Gefühle, sondern das Wetter entscheiden – es soll das Fjell sein. So mieten wir unsere gemeinsame AirBnB-Unterkunft in Ostnorwegen, nahe des Rondane Nationalparkes. Dieser bietet viele Ausflugsziele, sind doch zehn seiner thronenden Gipfel über 2000 Meter hoch, und viele Hütten des DNT-Netzes sind in ihm beheimatet. Zu einer von diesen wandern wir dann auch, und zwar nach Rondvassbu, gelegen am Ende des Sees Rondvatnet. Diese ist bewirtschaftet - ein perfektes Programm für einen eher stürmischen Tag, was gibt es dann Besseres, als eine warme frische Waffel mit Himbeermarmelade und Sourcream?
Ganz in der Nähe unserer Unterkunft befindet sich auch der Dovrefjell Nationalpark, das Königreich der Moschusochsen. Hier lebt die einzige gesunde Population in Europa mit rund 300 Tieren. Wir begeben uns auf den Moschusochsen-Trail in der Nähe von Kongsvold, eine ausgewiesene Wanderung, die uns durch dichten Birkenwald auf das Hochplateau führt. Wir haben das grosse Glück, drei dieser imposanten urigen Tiere an den entfernten Berghängen bestaunen zu können, zwar nur mit Fernglas, aber dennoch sind die 400 kg schweren Kolosse sehr eindrücklich zu beobachten.
Wir geniessen die gemeinsame Zeit mit Reto sehr und werden uns noch lange an die vielen lustigen Momente zurückerinnern – sei es auf den unzähligen Wanderungen, im Regen, im Whirlpool, in der mit Holz beheizten Sauna, auf der Terrasse oder beim Nordlichter bestaunen. Danke Reto!
Nach der Verabschiedung von Reto stehen wir erneut vor der Entscheidung – Fjorde oder Fjell? Aber wovon sprechen wir überhaupt, wenn wir ‘Fjorde’ oder ‘Fjell’ meinen? Eine kurze Begriffserklärung:
Ein ‘Fjord’ ist ein weit ins Festland hineinreichender, durch einen meerwärts wandernden Talgletscher entstandener Meeresarm. Norwegen ist sehr bekannt für seine Fjordküste im Westen des Landes. An vielen Orten am Fjord ragen die Bergwände steil in die Höhe. Wanderungen entlang der Fjorde sind daher oftmals ebenfalls sehr steil, dafür wird man mit einem unglaublich spektakulären Ausblick belohnt.
Das ‘Fjell’ ist ein Begriff für Berge oder Hochflächen oberhalb der Nadelwaldgrenze und bedeutet so viel wie ‘Gebirge’. Im Skandinavischen Gebirge Norwegens und Schwedens bilden die Fjells meist weitläufige Hochflächen. Die Landschaft ist glazial geprägt und meist wellig oder hügelig. In den Senken bilden sich oft Seen. Die Vegetation besteht am Waldrand aus gedrungenen Fjellbirken, aus Strauchheiden, Gräsern, Moosen, Kräutern und Flechten. Wanderungen sind oftmals flacher, dafür umso weitläufiger.
Von den Fjorden…
Nach den Tagen im Fjell mit Reto entscheiden wir uns vorerst für die Fjorde. Drei Fjordwanderungen, die uns in besonderer Erinnerung geblieben sind:
Der Aurlandsfjord ist ein Seitenarm des Sognefjords, er ist einer der typischsten und imposantesten Fjorde in Norwegen. Seine Ufer sind so steil, dass es noch keine hundert Jahre her ist, dass man die wenigen Orte am Aurlandsfjord ausschließlich per Schiff erreichen konnte. Hier wandern wir zum Hovdungavarden.
Von Fjaera wandern wir zum Ramnanuten und geniessen einen wunderbaren Ausblick auf den Åkrafjord. Dieser ist 32 Kilometer lang, schmal und sehr tief. Es gibt aber auch offene Abschnitte mit größeren Dörfern, Höfen mit Obstplantagen, herrlichen Naturerlebnissen wie Wasserfällen und tollen Ausblicken auf den Gletscher Folgefonna.
Die Region um Ullvang am Hardangerfjord ist bekannt für seine vielen Äpfel- und Pflaumenplantagen. Hier starten wir auf den Trail zum Aussichtspunkt Hovden, an welchem wir eine wirklich tolle Tageshütte als Rastplatz vorfinden.
And last but not least, was darf als Abschluss von Fjordnorwegen nicht fehlen? Bergen! Die Stadt an der Südwestküste kennen wir zwar bereits, aber sie zieht uns auch dieses Jahr wieder in ihren Bann. Das ehemalige Hansehandelszentrum beeindruckt insbesondere durch das Viertel Bryggen, in welchem viele bunte Holzhäuser stehen. Dieser Anblick lässt wunderbar ausblenden, dass Bergen die Stadt in Norwegen mit den meisten Regentagen ist, selbst in ganz Europa führt sie die Liste mit den regenreichsten Orten an. Und ja, es regnet auch bei uns. Aber nur ein bisschen. Wir haben auch nichts anderes erwartet. Bergen bildet für uns einen schönen Schlusspunkt für Fjordnorwegen, denn für uns ist klar, wir sehnen uns nun nach dem Fjell.
…ins Fjell, in die Hardangervidda
So ist für uns klar, dass wir die letzten Tage in Norwegen im Fjell verbringen möchten. Immer wieder zieht es uns ins Fjell, und immer wieder sind wir uns einig, dass wenn wir uns entscheiden müssten (was man ja in Norwegen glücklicherweise nicht muss), wir uns für das Fjell aussprechen würden. Warum? Nicht begründbar. Reine Gefühle. Was könnte da näher liegen, als nochmals in die Hardangervidda, unsere erste grosse Liebe in Norwegen (www.siglu.ch/hardangervidda), zurückzukehren. Die Hardangervidda ist ein Plateaufjell und die größte Hochebene Europas, mit vielen Seen und wenigen, sanft ansteigenden Gipfeln. Auch der Hardangerjøkulen, ein Gletscher, ist in der nördlichen Hardangervidda angesiedelt. Wir geniessen die kontrastreiche Reise auf der nationalen Landschaftsroute, die von der blaugrünen Fjordlandschaft in die Hochebene führt und freuen uns über ein paar ausgiebige Wandertage.
Setesdalen
Das letzte Teilstück unserer Reise führt uns südwärts durch das wunderschöne, ruhige, rund 210 km lange Setesdalen. Die Landschaft variiert von unwegsamen, wilden Hochgebirgen im Norden bis hin zu ausgedehnten Kiefernwälden im Süden. Die Strasse durch das Tal passiert viele kleinere und gröβere idyllische Dörfer. Jahrhunderte alte Holzhäuser säumen stets den Weg, der immer dem Fluss Otra, der von Nord nach Süd fliesst, entlang führt. Insbesondere im nördlichen Teil lässt es sich wunderbar wandern, das Wintersportörtchen Hovden ist ein guter Ausgangspunkt für viele Touren.
Ein neues Camping-Must-Have
Ein Gadget, das wir auf dieser Reise zum ersten Mal so richtig und regelmässig in Gebrach nehmen, ist der Omnia. Unter Campern erfreut er sich grosser Beliebtheit. Dem können wir uns nur anschliessen. Der Omnia ist ein mobiler Backofen ohne eigene Wärmequelle. Man stellt ihn auf den Gasherd oder auf den Grill, und schon hat man einen Backofen. Man kann darin alles zubereiten, was auch in einem gewöhnlichen Backofen erhitzt oder gebacken werden kann. Es gibt also keinen Grund auf frische Brötchen, Ofengemüse, einen leckeren Gratin, Pizza oder selbstgebackene Muffins zu verzichten. Ja, das ist unbezahlte Werbung, aber wir würden den Omnia echt nicht mehr hergeben!
Campingkultur
Mit etwas Bedauern stellen wir im südlicheren Teil des Landes schnell fest, dass das wilde Campen, was eigentlich zur Tradition in Norwegen gehört, hier wohl langsam an seine Grenzen stösst. Überall sind ‘No-Camping’-Schilder zu sehen, diverse Parkbuchten sind mit grossen Steinen als Parkhindernisse versehen. Ganz ehrlich, wir haben dafür Verständnis. Einerseits stellen wir – im Vergleich zum Jahr 2019 – fest, dass selbst Ende August im Süden Norwegens sehr viele Camper unterwegs sind. Andererseits ist es augenscheinlich, dass jede vorhandene Parkmöglichkeit als Gratisplatz in Beschlag genommen wird, da müssen schon auch mal Privat-Parkplätze der Norweger für ihre Ferienhäuser dran glauben. Wir sind daher sehr bemüht, unsere wilden Campingplätze so auszusuchen, dass wir bestimmt niemanden stören, und so stört auch uns niemand. Nach wie vor sehr gut möglich ist dies in der Nähe oder in den Nationalparks selbst, weil diese einfach nicht oder nicht dicht besiedelt sind. Wir hoffen so dazu beizutragen, dass die Kultur des Wildcampings weiterhin gelebt werden darf. Und trotz der verhältnismässig noch vielen Reisenden zu dieser Jahreszeit findet man immer problemlos ein Plätzchen auf einem Campingplatz, so dürfen wir auch im Süden des Landes wunderschöne, idyllische Übernachtungen auf tollen Campingplätzen geniessen.
In Kristiansand geht Ende August unser Norwegen-Abenteuer zu Ende und somit der erste Teil unserer diesjährigen langen Reise. Es geht mit der Speedboatfähre in 2:15h nach Hirtshals. Mit etwas Wehmut und Traurigkeit verlassen wir Norwegen, immer wieder sind wir begeistert von diesem vielfältigen Land und seiner eindrucksvollen und imposanten Natur. Besonders auch, weil wir während dieser zwei Monate mit unglaublich gutem Wetter verwöhnt wurden. Richtige Regentage können wir an einer Hand abzählen. Nun freuen wir uns auf unsere nächsten Destinationen: England und Schottland. Neuland für uns. Wir sind sehr gespannt und blicken der weiteren Reise mit grosser Freude und Spannung entgegen.
Campingplätze und Stellplätze, die uns auf diesem Teil der Reise besonders gut gefallen haben:
Munio, Finnland: Camping direkt am Grenzfluss
Töre, Schweden: Camping am Meer
Meselefors, Schweden: Camping bei einem ausgewanderten Schweizer Pärchen, direkt am Fluss
Hede, Härjedalen, Schweden: Unser absoluter Favorit – Sonfjällscamping, direkt am Wasser, teilweise mit eigenen Feuerstellen und mit Blick auf den Sonfjället
Rondane NP: Verschiedene Stellplätze rund um den Muen
Osterbo Fjellstue: Wem es in den Fjorden zu umtriebig ist, findet hier ganz in der Nähe seine Ruhe
Hardangervidda NP: Verschiedene Stellplätze rund um Haukeli
Setesdalen, Valle: Self-Check-in Waldstellplatz, super idyllisch direkt am Fluss und meist ohne Sicht zum Nachbarn
Setesdalen: Kilefjorden Camping mit Flussblick
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